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Zwei Hunde sitzen am Tisch und bedienen einen Laptop

Onl(e)ine sein ist fein – oder nein? Ein persönliches Statement…

Hundeschulen und Hundetraining erfinden sich in Coronazeiten neu – Von A(pp) – Z(oom) werden die neuen Medien für das Training und die Erziehung unserer Vierbeiner und natürlich der Zweibeiner in unserem Alltag genutzt, um Zeit und momentan auch Kontakte zu sparen.

Jawoll! So hört man es aus vielen Richtungen erklingen. Neue Wege, neue Zeiten, wie Phönix aus der Asche dank Corona! Liest sich spektakulär, gar innovativ und visionär, aber alleine in dem einen Satz gibt es schon mindestens 3 Gegebenheiten, die völliger „Kokolores“ sind:

Kokolores 1.: Neu ist am Onlinetraining an sich gar nichts… also wirklich nicht ein Fitzel, auch wenn man das immer wieder in Zeitungsartikeln oder Onlineauftritten von Hundeschulen lesen kann. Und auch die Politiker und Richter suggerieren, dass das Unternehmen sich durch ein vermeintlich neu erschlossenes Arbeitsfeld den echten Kontakt ja sparen kann, und es ja außerdem finanziellen Ausgleich ermöglicht.

Aber mal ehrlich, wer hat den bisher keine Medien genutzt? Angefangen vom Beratungsgespräch am Telefon, über Infomappen, Videoanalysen, bis hin zu intensivem WhatsApp-Austausch und Online-Seminaren oder jetzt aktueller Einzel- und Kleingruppen Onlinemeetings und Calls. Natürlich haben die coronabedingten Einschränkungen des täglichen Lebens auf all diese Kanäle wie ein Katalysator gewirkt und auch die Nicht-Nutzer diese Türen bereitwilliger und neugieriger öffnen lassen, aber warum? Weil es besser ist als Training vor Ort? Bequemer? Hilfreicher? Förderlicher? Oder weil die Alternative zurzeit mancherorts einfach gähnendes Nichts ist. Weil Bildungsangebote nur Online stattfinden dürfen. Weil Onlinetraining Grenzen hat, die nicht zu negieren sind. Kurzum: Wäre Onlinetraining mit Hunden komplett neu seit 01.11.2020 wären wir bisher eine äußerst altbackene und verblüffend unflexible Branche gewesen und wäre es effektiver als sich mit den Kunden zu treffen, wären wir auch noch ziemlich dumm obendrein.

Kokolores Nummer 2.: Die Vierbeiner können von uns Hundetrainern nicht ins direkte Training einbezogen werden. De facto endet unsere Anleitung beim Halter, die zwar elementar wichtig ist – wir können den Hund jedoch nicht selbst „erfühlen“, nicht mit Nuancen unserer eigenen Körpersprache kommunizieren, Übungsansätze und Variationen mit dem Halter durchgehen und ausprobieren, präsent sein und damit manches Mal Unterstützung und Sicherheit geben. Eine wichtige Variable im Hundetraining fällt somit weg – ist „offline“ könnte man auch sagen. Man könnte den Hunden natürlich einfach mitteilen, dass das Onlineding jetzt neu sei und ihnen ein Headset hervorragend stünde und es das gleiche sei, wie in der Hundeschule. Das wäre doch einen Versuch wert – nicht!

young woman and her dog are looking at computer

Und Kokolores Nummer 3 ist die gesparte Zeit. Ja, unsere liebe Zeit… husch husch wir schieben schnell ne Nummer Online-Training, weil heutzutage ja alles schnell gehen muss. App auf, Übung raus, zack umgesetzt, App zu, Halter glücklich, Hund erzogen, jetzt einkaufen, kochen, ab zum Sport. Haken hinter! Mooooment – durchatmen, Schultern locker, Kopf freimachen. Wer keine Zeit hat für eine Stunde Hundetraining am Wochenende auf der Wiese braucht auch keinen Hund, oder?! Tamagotchi gefällig?

Zumal das Ganze meist nicht so einfach ist: Was ist mit den individuellen Eigenheiten des Hundes, des Menschen und der Kombination von beiden? Was ist mit der situativen Umwelt, die Einfluss auf ein Training haben kann, was ist mit Fehlern, die gemacht werden und in der Übungssituation korrigiert und unterstützend aufgearbeitet werden müssen, mit Fragen, die aufkommen und Klärung bedürfen? Mit Frust und dem reißenden Geduldsfaden, wenn es nicht klappt? Die einfachste Antwort wäre: Interessiert uns Hundetrainer im App- und Onlinetraining nicht, weil wir es nicht sehen können. So einfach könnte es sein – ist es aber nicht. Verdammt! Und am Ende kostet all das mehr Zeit, Nerven und Beziehungsqualität als ein angeleitetes Training mit dem Hundetrainer.

Online Training mit Hunden und für Hunde hat jedoch unterschiedliche Grenzen durch unterschiedliche Konzepte: Ein kleines (subjektives) Ranking, der beliebtesten Wege mal in der Übersicht von am wenigsten individuell und effektiv bis hin zu einem tatsächlichen Mehrwert darstellend:

Erziehungs- und TrainingsApps ohne 1:1 Austausch: ersetzt durchaus einen Ratgeber in Buchform modern und mobil und ermöglicht dem Halter ergänzend Videos anzuschauen.

Pro: kann Grundlagen und Ansätze zeigen, für erfahrene Hundehalter eine Ergänzung und Ideensammlung, zum Mitnehmen und immer wieder anschauen, kann günstig sein

Contra: arbeitet im Gießkannenprinzip = kann keine individuelle Hilfestellung geben (z.B. Umwelt, Fehlerkorrektur, Einbeziehung der Hund-Halter-Beziehung), suggeriert als Werbung schnelle Erfolge mit wenig Mühe in kurzer Zeit, keine Fragen möglich, kann demotivierend sein

Online-Training per Videokonferenz/Videos mit 1:1 Austausch: schult den Halter individuell, ermöglicht einen Austausch über den Entwicklungsstand des Teams

Pro: ermöglicht die direkte, individuelle Kommunikation und den Austausch zwischen Halter und Hundetrainer, der Entwicklungsstand kann verfolgt und unterstützend begleitet werden, Fehlerquellen können per Video im Nachgang identifiziert und besprochen werden

Contra: der Hundetrainer lernt den Hund nicht kennen, eigenes Gefühl für den Hund kann nicht in Gänze entstehen, Vorbildfunktion und situatives „Feintuning“ nicht möglich

Hundetraining im Live-Kontakt und paralleles Online-/Video-Training:  oder besser = das Hundetrainings-Buffet an dem es mannigfaltige Varianten für ein gelingendes Training gibt!

Pro: Hund und Halter sind dem Hundetrainer aus dem „echten“ Leben bekannt, Individualität wird einbezogen, zwischen den Liveterminen kann der Trainingsstand beobachtet und kommuniziert werden, Fehlerquellen in verschiedenen Übungssettings können zeitnah identifiziert und reduziert werden, motivierend durch bessere und effektivere Umsetzung der Anleitung

Contra: zeit- und unter Umständen kostenintensiver

Der Einsatz neuer Medien in Hundeschulen eröffnet ganz klar (neue) Möglichkeiten und kann die derzeitige coronabedingte Durststrecke, die durch den Wegfall des Reality-Trainings bedingt durch die Schließungen der Hundeschulen entsteht, in einem gewissen Umfang überbrücken. Gewiss werden viele dieser Online-Angebote ihren festen Platz auch nach dem Lockdown im Hundeschulalltag finden oder weiterhin haben. Zu Recht, wie ich finde und sicherlich mit einem hohen Mehrwert für alle Beteiligten!

Die Diversität von Mensch und Hund und deren Beziehungen untereinander bei der Ausbildung und Erziehung von Hunden erfordert jedoch den geschulten Blick eines Hundetrainers in Echtzeit, damit auch der Hundehalter den Blick für seinen Hund vermittelt bekommt, mit allen Facetten und Varianten, mit allen Emotionen und Methoden.

Mein Fazit: Wir müssen uns nichts neu und schön reden – Hundeschule im Onlineschooling ist dann der Weg der Wege und ersetzt das „gute, alte“ Prinzip des sich Treffens auf einer Wiese, wenn das erste Date am Computer unschlagbar ist und nicht nur in Kauf genommen wird, um eine Entfernung zu überbrücken, die Weihnachtsfeier vom Betrieb viel lustiger zu Hause vor Zoom ist und nicht nur die Kontakte herabsetzt und die Städtereise doch super durch einen Straßenbummel via Googlemaps ersetzt werden kann und nicht nur die Mobilität reduziert.

Autorenportrait

Profilbild Annika van Veen

Annika van Veen

arbeitet bei: 4PfotenCoach

Hauptfokus: Leitung Geschäftsstelle ProHunde e.V.

kommt aus: Xanten

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